Glass GmbH Bauunternehmung: Erst 2D, dann 3D, dann BIM
Die Glass GmbH ist ein bekanntes mittelständisches Bauunternehmen mit mehreren Standorten. Über seine Erfahrungen bei der Einführung von BIM-fähiger 3D-Software in der Tragwerks-, Bewehrungs- und Schalplanung berichtet Thomas Böck, Leiter der Konstruktion.
Die 1948 gegründete Glass Unternehmensgruppe beschäftigt rund 750 Mitarbeiter an den Standorten Mindelheim, München, Bad Wörishofen, Leipzig und Berlin. Schwerpunkte des europaweit tätigen Unternehmens sind der Industrie-, Hoch- und Schlüsselfertigbau, der Bau von Papierfabriken sowie der Ingenieur- und Kraftwerksbau.
Um Abläufe und Datenübergaben zu automatisieren, entschied sich die Planungsabteilung für den Umstieg von einem 2D-, auf ein neues, BIM-fähiges 3D CAD-Programm. Inzwischen werden nahezu alle neuen Projekte in 3D konstruiert, inklusive aller Fertigteile, Montage- und Einbauteile und der Bewehrung. Der Software-Umstieg war zugleich ein Einstieg in eine neue Technologie. Deshalb wurde er von Thomas Böck, verantwortlich bei der Glass GmbH für den Bereich Konstruktion, besonders sorgfältig geplant.
Wie steigt man um von 2D auf 3D und BIM?
„3D-CAD und eine BIM-konforme Planung ist mittlerweile Voraussetzung für immer mehr Auftraggeber“, erläutert Thomas Böck die Gründe für den Umstieg. Der Programmauswahl ging eine intensive Testphase voraus. Zunächst wurden fünf Programme zu Inhouse-Präsentationen eingeladen. Ende 2017 hat man sich auf zwei Programme für die Endauswahl festgelegt – auf STRAKON von DICAD und ein Mitbewerberprodukt. Thomas Böck war sich der Tragweite der Programmauswahl bewusst: „Für das Unternehmen wäre ein Fehlkauf fatal gewesen. Deshalb haben wir uns entschlossen, beide Programme über zwei Monate am konkreten Projekt ausgiebig zu testen“.
Dabei stellte sich heraus, dass das Mitbewerberprogramm zwar über Automatismen und vorgefertigte Knotenpunkte verfügte. Allerdings waren Änderungen aufwändig oder überhaupt nicht möglich. STRAKON hat diese Automatismen zwar nicht, dafür lassen sich auch komplizierte Detailpunkte sehr einfach planen. Auch bei den Maßketten gab es Unterschiede: Zwar ließen sich Maßketten automatisiert erstellen, Bemaßungen komplexer Fertigteile mussten aber manuell nachbearbeitet werden. Dabei verloren sie ihre Assoziativität – und damit die automatische Anpassung bei Änderungen. STRAKON verfügt zwar über keine derartige Bemaßungsautomatik, dafür lassen sich assoziative Maßketten schnell manuell erstellen. „Da wir das Programm nur für die Rohbauplanung, für Übersichtspläne, Element- und Detailpläne für Fertigteile oder Ortbetonbauteile einsetzen und nicht für die Architekturplanung, war uns das andere Programm viel zu umfangreich.
STRAKON hat uns schnell überzeugt, weil es auf den Rohbau zugeschnitten, einfach bedienbar und flexibel ist“, begründet Böck die Wahl. So lässt das Programm auch bei der 2D-Planerstellung Anwendern viel Freiraum, was eine sehr hohe Planqualität ermöglicht. Auch beim Im- und Export des BIM-Standardaustauschformats IFC konnte sich STRAKON im direkten Vergleich durchsetzen.
Welche weiteren Auswahlkriterien spielten eine Rolle?
Kundennähe war ein weiteres Auswahlkriterium, so Böck: „Kunden werden an der Weiterentwicklung und Optimierung beteiligt. So hatten wir beispielsweise in der Testphase einige Verbesserungen vorgeschlagen, die schnell in das Programm übernommen wurden“.
Außerdem findet jährlich ein Arbeitskreis für STRAKON-Nutzer bei DICAD in Köln statt, bei dem sich Anwender über die Weiterentwicklung des Programms austauschen. Hinzu kommen regionale Anwendertreffen, bei denen Versionsneuerungen und deren praktische Anwendung präsentiert werden. Dabei können Kunden auch Kontakte zu anderen Anwendern knüpfen. „Bei einem großen Softwarehaus hätten wir mit unseren etwa 40 Lizenzen kaum Einfluss auf das Programm gehabt“, ist Böck überzeugt.
Ein weiteres Auswahlkriterium war das Zusammenspiel mit dem von der Glass GmbH eingesetzten ERP-System für Betonfertigteile, das laut Böck sehr gut funktioniert. Die Datenübergabe per CPIXML-Schnittstelle ist wichtig im Hinblick auf Massenermittlungen und Fertigteil-Zusammenstellungen für die Kalkulation sowie die Zusammenarbeit mit der Arbeitsvorbereitung, Bauleitung oder Abrechnung.
Auch das Modellieren und Arbeiten mit Fertig- und Einbauteilen funktioniert mit STRAKON gut und strukturiert, ebenso wie das Erstellen von Plänen. Die Bewehrungs- und Maßanbindung an die Schalung beschleunigt das Erstellen und Ändern der Fertigteilelementpläne: die Bewehrung passt sich automatisch an, sobald sich die Geometrie ändert. STRAKON wird laut Böck zwar noch nicht für die Schalungsplanung eingesetzt. „Da wir uns aber bald eine 5-Achs-Holzbearbeitungsmaschine anschaffen, werden wir uns vermutlich auch das Modul für die Schalungsplanung zulegen“, verrät er.
Die Übergabe der 3D-Geometrie an das Sandwichplatten-Bemessungsprogramm, die Bemessung und der Import der berechneten Einbauteile in STRAKON funktioniert ebenfalls gut. Derzeit entwickelt DICAD auch ein Modul zum Planen von Elementdecken und Hohlwänden, worauf Teamleiter Böck auch schon gespannt ist. „Falls es unseren Erwartungen entspricht, werden wir auch mit unserer Deckenabteilung ebenfalls zu STRAKON wechseln“.
Wie lief der Software-Einstieg praktisch ab?
Neben der Programm-Auswahl war auch der Programm-Einstieg wohlüberlegt: Zwei Mitarbeiter haben sich anfangs um die Programmeinführung gekümmert. Sie erhielten eine 3-tägige Schulung bei DICAD und konnten mit Unterstützung der DICAD-Hotline innerhalb von vier Wochen firmenspezifische Voreinstellungen vornehmen, Kataloge wie Einbauteile, Symbole, Profile oder Materialien anlegen und Vorlagepläne erstellen. Danach wurden die ersten zwei Gruppen mit je sechs Glass-Mitarbeitern von DICAD geschult. Die weiteren Gruppen wurden dann von so genannten "Key-Usern" intern geschult. Auch die Betreuung der Konstrukteure erfolgte und erfolgt durch die Key-User, die sich nur in Ausnahmefällen und bei Weiterentwicklungsvorschlägen an die DICAD-Hotline wenden. Inzwischen wurden 30 Mitarbeiter auf STRAKON geschult.
Rohbau-Gebäudemodelle werden mittlerweile komplett in 3D erstellt, inklusive sämtlicher Einbau- und Montageteile, Übersichtspläne wie Schnitte, Ansichten, Detail- und Positionspläne für die Fertigteilkonstruktionen, samt Positionierung, Details, Montage- und Einbauteillisten für die Baustelle. Die Fertigteilelemente werden in Form von Schal- und Bewehrungsplänen in der 3-Seitenansicht und in Bewehrungsschnitten mit einer 3D-Darstellung des Fertigteilelementes ausgegeben, zuzüglich einer automatisch erstellten Einbauteilliste. Die Biegeformen der einzelnen Rundstahlpositionen werden alle systematisch durchnummeriert auf dem Plan abgelegt. Für die Stahlbestellung generiert STRAKON die erforderlichen Biegelisten als PDF-Datei, inklusive der BVBS-Datei für die Biegeautomaten. Auch die Erstellung von Schal- und Bewehrungsplänen für Ortbetonbauteile oder Bewehrungsdetails mit Hilfe der 3D-Bewehrungsdarstellung gehören zum Aufgabenspektrum.
BIM: Chance oder Herausforderung?
Strategisches Ziel des Umstiegs von 2D auf ein 3D-CAD war stets die Einführung der BIM-Planungsmethode, deren Vorteile Böck inzwischen aus praktischer Erfahrung kennt: „Durch die 3D-Visualisierung können wir Bauvorhaben unseren Kunden anschaulicher präsentieren. Die Planung und der Bauablauf werden transparenter, Planungsfehler werden reduziert, Kollisionen und Probleme werden bereits während der Planung und nicht erst auf der Baustelle erkannt.“
Auch vom schnelleren und genaueren Kalkulieren, der einfacheren Kosten- und Terminkontrolle profitiert Böck zufolge die Glass Bauunternehmung bereits. Projektbeteiligte können auf alle erforderlichen Informationen für die Planung, Produktionsplanung, Ausführung und Montage zugreifen, was die Transparenz und die Abstimmung zwischen den Abteilungen erheblich verbessert. Soll/Ist-Vergleiche und Leistungsmeldungen lassen sich anhand des visuellen 3D-Modells einfacher erstellen. Auch die Abrechnungsabteilung tut sich leichter, bereits erbrachte Leistungen zu erfassen und abzurechnen“.
In Planung ist auch eine Verknüpfung zwischen den Bauteilen des 3D-Modells und den LV-Positionen, den Kosten und Terminen aus der Arbeitsvorbereitung sowie dem ERP-System. Das rationalisiert weitere Prozesse und ermöglicht beispielsweise Bauablaufsimulationen oder eine automatisierte LV-Erstellung. Böck kennt aber auch die Herausforderungen: „Bauherren freuen sich zwar über 3D-Modelle und Visualisierungen, möchten dafür aber nicht mehr ausgeben. Von Seiten der Architekten und Fachplaner fehlt oftmals der Wille, die Planung konsequent in 3D durchzuziehen, da Änderungen in 3D aufwändiger sind als in 2D“.
Zu den weiteren Herausforderungen zählt er die heterogene Softwarelandschaft sowie Informationsverluste bei der Datenübergabe. Die modellorientierte Planung kommt bei der Glass Bauunternehmung momentan als Little Open BIM zum Einsatz. Das bedeutet, im Hause generierte Bauwerksdaten werden auch mit anderen Gewerken oder Abteilungen über die IFC-Schnittstelle ausgetauscht. Mittel- und langfristiges Ziel ist Big Open BIM, also das fachübergreifende Arbeiten am digitalen Gebäudemodell mit unterschiedlichen Softwarelösungen und Projektpartnern. Eine Voraussetzung dafür ist laut Böck allerdings, dass auch die anderen Projektbeteiligten in 3D planen: „Wir müssen leider feststellen, dass Architekten derzeit entweder noch gar nicht dreidimensional planen - und wenn doch, dass die Modelle nicht aktuell gehalten werden. Deshalb waren bisher auch keine Kollisionskontrollen zwischen dem Architektur- sowie Rohbau- und Tragwerksmodell möglich“, so Böck.
Wie laufen Planungsprozesse praktisch ab?
Aktuell ist die Datendurchgängigkeit bei der Tragwerks- und Fertigteilplanung noch etwas eingeschränkt, weil vom Planer häufig kein 3D-Modell geliefert wird. „Sofern der Architekt das Gebäude in 3D geplant hat, fordern wir eine IFC-Datei natürlich an, um sie mit unserem Modell vergleichen zu können. Allerdings läuft die Tragwerksplanung parallel dazu noch ohne 3D-Modellanbindung, weil wir bisher noch keine passende Statiksoftware für unsere Fertigteile gefunden haben, mit der man Daten aus einem 3D-Modell übernehmen und zurückspielen kann“, stellt Böck bedauernd fest. Details und Knotenpunkte werden im Vorfeld mit dem Tragwerksplaner abgestimmt.
Parallel zur 3D-Modellierung generieren weitere Mitarbeiter die 2D-Übersichtspläne aus dem 3D-Modell. Diese werden sowohl als PDF-Datei an Architekten und Fachplaner zur Abstimmung verschickt als auch in Form einer 3D-PDF- und einer IFC-Datei für den Modellabgleich. Rückläufe zur Abstimmung kommen meist über Eintragungen in den 2D-Plänen. Die Bewehrung kann meist parallel zur Modellerstellung geplant werden, sobald die einzelnen Fertigteile fertig modelliert sind. „Wir versuchen immer, die ersten Bewehrungspläne möglichst perfekt zu erstellen, da wir daraus sehr schnell die weiteren Elementpläne generieren können“, verrät Böck.
Bei der Abwicklung kompletter BIM-Projekte ist sein Team allerdings abhängig von den anderen Projektbeteiligten. Sofern sie von den Planern zur Verfügung gestellt werden, werden 3D-Modelle als IFC-Datei mit dem eigenen STRAKON-Modell einfach übereinander gelegt. Dabei werden eventuelle Abweichungen und Konflikte schnell sichtbar. Hinsichtlich des Datenaustausches mit anderen Gewerken empfiehlt Böck Testläufe, um zu sehen, wie das Modell nach dem Austausch aussieht und welche Eigenschaften erhalten bleiben: „Man muss sich Schritt für Schritt herantasten, denn BIM ist ein ständiger Lernprozess“.
Mittlerweile sind 80 Prozent der Glass-Konstruktionsabteilung auf die BIM-Planungsmethode umgestiegen. Alle anderen können zumindest bereits dreidimensional modellieren und daraus 2D-Pläne ableiten. „Insgesamt hat der Umstieg deutlich besser funktioniert, als wir ursprünglich gedacht hatten. Da die 3D-Planung eine Voraussetzung für BIM ist, haben wir eine Grundlage geschaffen und werden nun die Umsetzung von BIM in unserer Firma Schritt für Schritt weiter vorantreiben und begleiten“, erläutert Böck seine Strategie. Der volle Nutzen von BIM, davon ist Böck überzeugt, kommt allerdings erst dann richtig zum Tragen, wenn alle Projektbeteiligten konsequent mit der Planungsmethode arbeiten. Nur dann ist sie lückenlos und erleichtert allen Beteiligten das Arbeiten.
Was sollten Um- und Einsteiger beachten?
Worauf sollte man bei der Auswahl und beim Umstieg von 2D auf 3D und BIM beachten? Was sind die Herausforderungen? Welche Fehler sollte man vermeiden? Böck kennt die Antworten und nennt Tipps: Programmauswahl nicht überstürzen und die späteren Anwender einbeziehen, denn ihre Motivation steht an erster Stelle. Ferner ist wichtig, dass Mitarbeiter Neuem positiv gegenüberstehen und offen für neue Arbeitsweisen sind. Deshalb sollte man 3D und BIM schrittweise und gruppenweise einführen, damit niemand überfordert wird. „Insbesondere junge Mitarbeiter stehen neuen Arbeitsweisen positiv gegenüber. Dank ihnen ging eine kleine Euphoriewelle durch die ganze Abteilung und jeder wollte auch auf 3D umsteigen“, erinnert sich Böck.
Auch der Zeitpunkt und die Planung des Umstiegs sind wichtig. Böck rät: „In kleineren Gruppen jeweils mit etwa vier bis sechs Personen umsteigen, um das Tagesgeschäft im Unternehmen aufrecht zu erhalten. Der Verantwortliche sollte dabei aus dem Tagesgeschäft herausgenommen werden, damit er sich komplett auf den Umstieg konzentrieren kann“. Als weitere Einstiegshilfen empfiehlt er Infoveranstaltungen und Messen sowie Fachliteratur zum Thema BIM.
Hintergrundinfos
Glass GmbH Bauunternehmung: Die 1948 gegründete Glass Unternehmensgruppe beschäftigt rund 750 Mitarbeiter an den Standorten Mindelheim, München, Bad Wörishofen, Leipzig und Berlin. Tätigkeitsschwerpunkte des europaweit tätigen Unternehmens sind der Industrie-, Hoch- und Schlüsselfertigbau, der Bau von Papierfabriken sowie der Ingenieur- und Brückenbau.
Weitere Informationen: www.glass-bau.de
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